Der § 25f UStG ist eine auf den ersten Blick unscheinbare Vorschrift, die darauf abzielt, das auf Neutralität der Umsatzsteuer ausgelegte System im B2B-Bereich vor Missbrauch zu schützen. Nach meiner Beobachtung wird die Vorschrift jedoch durch die Finanzverwaltung in der Praxis in einer Form angewendet, die über das Ziel hinausschießt.
Worum geht es?
Wenn ein Händler Waren oder Dienstleistungen an einen anderen Händler verkauft, stellt er seinem Kunden die Umsatzsteuer in Rechnung, die er an das Finanzamt abführt. Für den Händler ist das Geschäft damit steuerneutral; dasselbe gilt für seinen Kunden, da dieser die gezahlte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machen kann. Dieser Prozess setzt sich in der Handelskette fort, bis die Ware beim Endverbraucher ankommt. Erst dann erfolgt eine abschließende Besteuerung mit Umsatzsteuer. Das System der Allphasennettoumsatzsteuer stellt sicher, dass die Besteuerung am Ende der Wertschöpfungskette greift. Währenddessen wird die Umsatzsteuerzahllast eines Händlers durch den Vorsteuerabzug des nächsten Händlers kompensiert, sodass wirtschaftlich gesehen nur der Nettobetrag anfällt.
Wenn ein Händler die Umsatzsteuer nicht zahlt, gerät das System ins Ungleichgewicht. Das Finanzamt kann dadurch zunächst Einnahmen verlieren, vor allem wenn die Steuer beim Händler nicht mehr eingefordert werden kann.
Hat ein Händler Kenntnis von der Steuerhinterziehung oder ist er daran beteiligt, so sieht § 25f UStG vor, dass er keinen Vorsteuerabzug geltend machen kann.
Diese Rechtsfolge basiert auf dem Gedanken, dass ein Händler das System unberechtigt zu seinem Vorteil nutzt, wenn er trotz positiver Kenntnis, dass ein Händler vor oder nach ihm in der Kette die Umsatzsteuer nicht abführt, diese dennoch als Vorsteuer gegenüber dem Staat geltend macht.
Dieser Rechtsgrundsatz wurde vom Europäischen Gerichtshof in verschiedenen Entscheidungen entwickelt und bildete die Grundlage für die Regelung des § 25f UStG.
Aus staatlicher Perspektive soll durch die Versagung des Vorsteuerabzugs bei einem anderen Händler der Verlust der nicht abgeführten Umsatzsteuer ausgeglichen werden, sodass das Steuersystem in der Bilanz wieder ausgeglichen ist.
Überkompensation
Bei einer mehrstufigen Händlerkette kann es durch die Anwendung des § 25f UStG allerdings zu einer Überkompensation kommen.
Wissen in einer Händlerkette mehrere Händler von der Steuerhinterziehung eines Händlers in der Kette, kann der § 25f UStG auf mehreren Stufen angewendet werden. Der Ausfall der Umsatzsteuer durch den steuerhinterziehenden Händler wird aus Sicht des Staates dadurch überkompensiert, dass er nicht nur einem Händler den Vorsteuererstattungsanspruch versagt, sondern mehreren. Man kann sich leicht vorstellen, dass die Hebelwirkung dieser Vorschrift enorm ist.
Auffassung der Finanzverwaltung
Die Finanzverwaltung hat die Möglichkeit der mehrfachen Anwendung des § 25f UStG bei nur einer Steuerhinterziehung erkannt und als eine gewollte Rechtsfolge der Vorschrift gewertet. Sie stellt in Abschnitt 25f.1 Abs. 6 Satz 3 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses klar, dass, wenn die Voraussetzungen der Vorschrift bei mehreren Beteiligten vorliegen, die Versagung des Vorsteuerabzugs bei diesen Beteiligten vorzunehmen ist.
Wortlaut der Vorschrift versus Gesetzesbegründung
Die Auffassung der Finanzverwaltung ist vom Wortlaut der Vorschrift gedeckt. Nach der Gesetzesbegründung allerdings soll die Versagung des Vorsteueranspruchs auf den tatsächlich entstandenen Steuerschaden beschränkt sein (Bundesratsdrucksache 356/19 vom 9.8.2019, S. 183). Die Auslegung der Finanzverwaltung geht also über den Gesetzeszweck hinaus.
Auch hat sich der Europäische Gerichtshof, der in Umsatzsteuerfragen die höchste Autorität auf EU-Ebene darstellt, zu dieser Frage noch nicht geäußert.
Was ist zu tun?
Händler, die mit dem § 25f UStG konfrontiert werden, sollten Bescheide, die auf dieser Vorschrift beruhen, in jedem Fall durch Einspruch offenhalten und eine gerichtliche Klärung anstreben. Grundlage der gerichtlichen Klärung ist die Frage, ob tatsächlich die Vorschrift auf mehreren Stufen angewendet werden kann. Gegebenenfalls muss das deutsche Finanzgericht die Frage dem europäischen Gerichtshof vorlegen.
Dies setzt allerdings voraus, dass der betroffene Händler Kenntnis davon hat, dass die Finanzverwaltung die Vorschrift des § 25f gegenüber mehreren vorsteuerabzugsberechtigten Händlern angewendet hat.
Die Finanzverwaltung sollte aufgefordert werden, dazu Stellung zu nehmen, ob bezüglich desselben hinterzogenen Umsatzes mehrere Händler über § 25f UStG in Anspruch genommen worden sind. Ohne eine solche Stellungnahme wird es für den betroffenen Händler schwierig sein, die konkreten Umstände zu ermitteln, da er kein Akteneinsichtsrecht in Steuerverfahren anderer Händler hat.
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